2019-10-30
WEIMAR. Meine Liebe und mein Fragezeichen. Das neue Bauhausmuseum.
Die Designobjekte, Wandgestaltungen, Möbel, Bühnenausstattungen und Kostümentwürfe - hier finden wir sie im Original vor, die Produkte der frühen Bauhäusler, die wir zum größten Teil aus den Publikationen schon kennen. So wie heute standen sie nicht immer selbstverständlich im Fokus. Gropius hatte sie zurücklassen müssen, nachdem das Bauhaus 1925 Weimar zu verlassen gezwungen war. Allesamt verpackt, entdeckte man sie erst in den 50er Jahren wieder.
Ihr habt es seit Jahresbeginn in zahlreichen Text- und TV-Beiträgen in Erinnerung gerufen bekommen: Vor 100 Jahren wurde in Weimar das Bauhaus gegründet. Gut informiert über die Fakten seid Ihr also schon. Ich nehme Euch heute mit auf einen sehr persönlichen Ausflug ins neue Bauhausmuseum, das die Architektin Heike Hanada entworfen hat. Berichtet man in Weimar stolz, man habe die Geduld für das Schlangestehen aufgebracht und das neue Bauhausmuseum beschaut, schallt es knapp zurück: Ach, den Schuhkarton. Mag Heike Hanada mit der Wucht der zur Stadt hin geschlossenen Betonwand und dem für das Publikum einzig möglichen Ausblick zum Glockenturm in Buchenwald dem Bekenntnis der Stadt zu ihren dunklen Seiten entsprochen haben, so kommt es mich doch bitter an. Bauhausarchitektur ist für mich zuvorderst mit Licht, Luft, Leichtigkeit verbunden, mit großen Einblicken und Ausblicken.
Für die Raumnutzung haben Ute Ackermann und Ulrike Bestgen ein Konzept entwickelt, das Aneignung und Weiterdenken beinhaltet. Zum einen finden wir also die Museumsräumlichkeiten, die sehr markante Treppe und zum anderen Platz für Diskussionen, Experimente und spielerisches Denken vor.
Es macht uns Spaß, der Arbeitsatmosphäre der Künstler so nahe zu kommen, die bekannten Möbel wie Peter Kelers Wiege, die nach Kandinskys Farbzuordnung für Kreis, Dreieck und Quadrat gefertigt ist; wie Le Corbusiers und Gropius´ Sessel mit ihren Bearbeitungsspuren und Schweißnähten zu sehen. Natürlich hängen Paul Klees Aquarelle, Kurt Schmidts Wandrelief aus Holz, Plakate, Entwürfe. Ich stelle mir vor, wie Gunta Stölzl, Benita Koch-Otte und die anderen Frauen in der Weberei gearbeitet haben mögen. Als Fan des Sprech- und Musiktheaters studiere ich intensiv das Denken Oskar Schlemmers voraus auf unbekanntes Terrain mit seinem Triadischen Ballett. Für einen Moment bleibt mir das Herz stehen, als ich realisiere, dass das im Haushalt meiner Kindheit bis heute intensiv genutzte Teeservice ein Entwurf von Wilhelm Wagenfeld ist. Anregend wirkt, dass bei aller Suche, allen Problemen und oft sogar Hungerwochen Musik (Bauhauskapelle) und Feiern die Bauhäusler beflügelten.
Die Ausstellungsflächen zumindest lassen etliche Fragezeichen aufscheinen. Warum haben sich die Stadt Weimar, Thüringen und der Bund dieses Museum bestellt, wenn es nicht auf die dort unterzubringenden Gegenstände, deren Anzahl und Abmaße ja bekannt und unveränderlich sind, zugeschnitten ist. Warum ordnen sich die Räumlichkeiten den Präsentationen nicht unter? Die Besucherströme werden chaotisch geleitet, ständig stehen sie sich im Weg, Vitrinen sind schlecht einsehbar, Beleuchtung ist so angebracht, dass sie im Vitrinenglas blendet. Am meisten stört, dass eine Betrachtung der Wandhängungen schwierig ist, da man zu nah vor der Wand steht und ein Zurücktreten durch Vitrinen unmöglich wird. Versucht man besseren Blick von der anderen Raumseite zu bekommen, versperren teils wieder die mittig stehenden Vitrinen die Ansicht. Meine Gedanken schweifen hier wehmütig nach Großbritannien ab, wo erlebbares Museum groß geschrieben wird.
Begrüßt und verabschiedet werden wir im Entree von Tomás Saracenos Installation „Sonnenuhr für Raumechos“, einer Arbeit, die den Zusammenklang von Kunst und Wissenschaft thematisiert. Nicht zuletzt bezieht sich Saraceno wahrscheinlich auch auf Walter Gropius: „Architekten, Bildhauer, Maler, wir alle müssen zum Handwerk zurück! Denn es gibt keine „Kunst von Beruf“. Es gibt keinen Wesensunterschied zwischen Künstler und dem Handwerker.“
Drehen wir uns vor dem Verlassen des Gebäudes noch einmal herum zum nach Buchenwald verorteten Fenster und bemerken - weder still noch weise - mit Erstaunen, welchen aktuellen Bezug Goethes Worte auch hier wieder haben:
O Weimar! Dir fiel ein besonder Los:
Wie Bethlehem in Juda, klein und groß!
Bald wegen Geist und Witz beruft dich weit
Europens Mund, bald wegen Albernheit.
Der stille Weise schaut und sieht geschwind,
Wie zwei Extreme nah verschwistert sind.
Oben: Möbeltischlerei und Weberei - Hand in Hand wurde an den neuen Ideen gearbeitet.
Diese Klanginstallation, der ich hier lausche, ist ein Kunstwerk unserer Tage.
Oben: Wallhanging von Bettina Koch-Otte.
Tomás Saracenos Installation „Sonnenuhr für Raumechos“
Blick aus dem Fenster nach Nordwesten zum Glockenturm in Buchenwald.
LadyStructura - 15:36:47 | Kommentar hinzufügen